Projekt Orphan by Gregg Hurwitz

Autor:Gregg Hurwitz
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783959676687
Herausgeber: HarperCollins

37. MEHR TIERISCH ALS MENSCHLICH

Als Evan vorsichtig durch die beschlagene Glastür in den Spa-Bereich trat, hörte er Renés Stimme aus einem Walkie-Talkie krächzen: „… weiß nicht, wo er ist. Lasst David nicht raus, bis …“

Nachdem er die Tür hinter sich verriegelt hatte, steckte Evan den Kopf um die Ecke und spähte den Gang mit den Whirlpools und Saunen entlang, der zu dem Sportbecken mit Kunstrasenumrandung führte. David lehnte betrunken an der letzten Tür vor dem Pool und trank hochprozentigen Bacardi aus der Flasche, während zwei narcos auf dem Kunstrasen auf und ab liefen und aufgeregt in ihre Walkie-Talkies sprachen. Der eine hatte eine Beanbag-Flinte, der andere eine Kalaschnikow. Der Typ mit dem cuerno de chivo war so fett, dass er Speckrollen am Nacken hatte. Er hatte einen ausrasierten Kotelettenbart und um den Hals eine dicke Goldkette mit Anhänger: CALACA, in großen Buchstaben aus Swarowskisteinen.

Gerippe.

Die narcos hatten wirklich Sinn für Humor.

Evan setzte sich Ángels Gewehr an die Schulter und machte sich bereit, in den Gang zu treten. Mit einer Langwaffe um eine Ecke zu biegen erforderte sowohl Können als auch mathematisches Verständnis. Jack hatte es immer „den Kuchen zerteilen“ genannt.

Bevor Evan sich jedoch in Bewegung setzen konnte, blickte Calaca auf, entdeckte ihn und zuckte wie vom Blitz getroffen zurück. „Marco, allá …“

Mit der Flinte im Anschlag wirbelte Evan in den Gang und gab den ersten Schuss ab, während er auf die Männer zurannte. Das Geschoss pfiff knapp an Davids Gesicht vorbei und bohrte sich mit einem dumpfen Geräusch in Calacas Stirn. Der Fettkloß hielt sich den Kopf, taumelte nach hinten und stürzte in den Pool. Die Kalaschnikow flog ihm vom hochgerissenen Arm und fiel klappernd auf den Betonboden hinter dem Becken.

Jetzt schwang Marco sein Gewehr zu Evan herum, aber dessen nächstes Geschoss riss es ihm aus der Hand und ließ es Richtung Pool schlittern.

Evan wurde nicht langsamer.

David drückte sich mit dem Rücken an die Glaswand des Koreanischen Nebelraums, als Evan an ihm vorbeistürzte, zu Marco aufholte, den Schaft seiner Flinte hochriss und dem narco damit einen Schlag von unten gegen das Kinn versetzte. Marco machte einen Salto rückwärts, riss die Beine hoch und trat Evan die Waffe aus der Hand. Evan konnte sich gerade noch wundern, wie falsch er die Kampfkünste des Mannes eingeschätzt hatte, als der sich bereits wieder nach vorn auf die Beine katapultierte. Marco ging beim Landen in die Knie, um den Aufprall abzumildern, und im Hochkommen verpasste er Evan blitzschnell eine Linke direkt aufs Auge.

Evan blinzelte gegen den stechenden Schmerz an; sein Auge tränte. Marco nutzte seinen Vorteil und ließ eine schnelle Abfolge von Schlägen auf Evan einprasseln. Die Arme schützend vorm Kopf, zog Evan sich in den schmalen Gang zurück, um ein wenig Distanz zwischen sich und Marco zu bringen, der unerbittlich weiter auf ihn eindrosch. Schließlich gelang es ihm, den narco von sich wegzustoßen. Jetzt standen die beiden sich schwer atmend gegenüber. Neben ihnen versuchte David verzweifelt, sich mit dem Rücken durch die Wand zu drücken.

Ein Blick nach vorne verriet Evan, dass Calaca soeben wieder auf die Beine gekommen war und mitten im Pool stand.

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